Es gab für ein Kind in der DDR in den 1980er Jahren nicht sonderlich viele Alternativen im Hinblick auf das TV-Programm. Vor allem samstagabends machte sich dies bemerkbar. Wobei wir uns im grenznahen Gebiet noch in einer vergleichsweise glücklichen Lage befanden, denn die unter dem Dach heimlich nach dem Westen ausgerichteten Antennen brachten uns zumindest ARD und ZDF sowie zwei der dritten Programme ins Haus.
Dennoch, wenn am Wochenende zur Prime Time die ganze Familie vor dem Fernseher vereint zusammen saß, dann glich dies immer ein wenig einem Glücksspiel. Solange eine große Unterhaltungsshow wie „Wetten dass…?“ oder „Vier gegen Willi“ auf dem Plan stand, war alles gut, das Entertainment war gesichert. Aber es gab dazwischen auch Durststrecken, in denen einfach nichts Akzeptables lief, zumindest aus der Perspektive eines knapp zehnjährigen Jungen. Doch ab und an gab es auch gleich einem Lichtblick einige Oasen der Erquickung. Und zwar immer dann, wenn ein Western oder Actionfilm lief. Einige Streifen, an die ich mich aus dieser Zeit bewusst erinnern kann, sind beispielsweise „Die glorreichen Sieben“ oder „Ein ausgekochtes Schlitzohr“.
Ersterer hatte mich damals so sehr beeindruckt, dass ich am Tag darauf eine Kassette mit Infos zum Film besprochen habe. Also quasi nichts anderes als eine frühe Form des Podcasts. Stilecht mit dem Gezwitscher meines Wellensittichs im Hintergrund. Auf diese Weise habe ich den geneigten Hörer (also meine Mutter und meine Geschwister, außer ihnen kam glaube ich niemand in den Genuss dieses Hörerlebnisses) über den Regisseur, die Namen der Hauptdarsteller, das Entstehungsjahr sowie die grobe Handlung informiert. Schon damals war mein Drang erkennbar, über von mir konsumierte Medien zu sprechen oder zu schreiben.
Aber ich schweife ab. Ja, es war immer etwas Besonderes, wenn ein Film ausgestrahlt wurde, der innerhalb meines Interessengebietes lag. Eine von mir heißgeliebte Plattform hierfür war auch der sogenannte „Wunschfilm“ des ZDF. Hier konnten die Zuschauer telefonisch abstimmen und zwischen drei Filmen denjenigen auswählen, welcher um 20:15 Uhr ausgestrahlt werden sollte. Es war immer mindestens ein Film dabei, den ich gern sehen wollte. Und oft genug wurde dann gerade dieser ausgewählt; offensichtlich entsprach der Geschmack der Allgemeinheit überwiegend meinem eigenen. Leider konnten wir bei dieser Telefonaktion nie mitmachen, zum einen weil wir damals schlicht und ergreifend über keinen Telefonanschluss verfügten (diese Luxusausstattung war damals eher die Ausnahme). Zum anderen weil Anrufe in den „Westen“ nicht so ohne weiteres möglich waren, soweit ich mich erinnern kann.
Meine absoluten filmischen Highlights jedoch waren die Prügelkomödien mit Bud Spencer und/oder Terence Hill, von denen gefühlt alle drei Monate einer ausgestrahlt wurden. Ohne Fernsehzeitung oder Videotext gerieten die Samstagabende so regelmäßig zu einer Art Lotterie. Wenn dann der jeweilige Film startete und ich die Namen Terence Hill oder Bud Spencer im Vorspann erblickte, dann war ich im siebten Himmel. Gemeinsam mit meinem Papa lachte ich mich schlapp über die übertriebenen Schlägereien und flotten Sprüche des Duos. An den Montagen darauf wurden dann die Prügelszenen minutiös auf dem Schulhof nachgestellt und die markanten Titelmelodien nachgesungen.
Damals wurde der Grundstein zu meiner bis heute anhaltenden Begeisterung für Spencer und Hill gelegt. Jedoch muss ich sagen, dass sich das Ganze nach der Öffnung der Grenzen ein wenig verschoben hat. Ich wurde älter, das TV-Programm vielfältiger. Und Bud und Terence gerieten erst einmal zunehmend in den Hintergrund. Das ist vielleicht auch der Grund, warum ich manche ihrer Filme heute lieber mag als andere. Und zwar hauptsächlich gerade diejenigen, welche ich noch zu „DDR-Zeiten“ erstmals anschauen konnte. Meine persönlichen Favoriten unter den Spencer/Hill-Filmen decken sich daher nicht oder nur wenig mit den allgemein als besten angesehenen Filmen der beiden. Ich werde im Nachfolgenden nicht auf jeden ihrer Filme eingehen, sondern lediglich auf diejenigen, die einen besonderen Einfluss auf mich hatten, zum Guten oder zum Schlechten.
1.) Die rechte und die linke Hand des Teufels (1970)
Dieser erste richtige „Spaßwestern“ mit den beiden lief einen Tag nach meinem Geburtstag am 04.02.1989 im DDR-Fernsehen. Ja, richtig gehört: ab und an strahlten auch die staatlich kontrollierten Sendeorgane den einen oder anderen westlichen Film aus. Und da es bei Bud und Terence ja oft darum ging, es „denen da oben“ mal so richtig zu zeigen, passte dies durchaus in die Propaganda-Pläne der DDR. Warum mit der Sendetermin noch so genau in Erinnerung ist? Bekannte von uns hatten damals die einzige TV-Zeitschrift des Landes abonniert, die „FF dabei“.
Natürlich fanden in dieser nur die eigenen Programme Erwähnung. Die ausgelesenen Exemplare durfte ich dann oft haben, um diese zu zerfleddern und Bilder auszuschneiden. Auf die Ausgabe von Anfang Februar war ich verständlicherweise besonders scharf. Die Abbildung von Bud, auf welcher er dem Gangster Emiliano eine Pistole ins Nasenloch steckt, habe ich sogar ausgeschnitten und mir mit einer Sicherheitsnadel einen Ansteckbutton daraus gebastelt. (wir waren sehr kreativ damals)
Zum Film selbst: Natürlich ist mir die Szene mit den Bohnen am Anfang hängen geblieben und animiert mich sogar heute nach ab und an dazu, mir Bohnen in einer Pfanne zuzubereiten und diese mit einem Holzlöffel zu verschlingen während ich den Film anschaue . Die gepfiffene Titelmelodie von Franco Micalizzi ist natürlich ein Ohrwurm und in meinen Augen DER Western-Soundtrack schlechthin. Und was die Story betrifft: mir gefällt die Geschichte mit den Siedlern, die beschützt werden müssen. Sie erinnert ein wenig an den schon erwähnten „Die glorreichen Sieben“. Das kontinuierliche Hinarbeiten auf die große Schlägerei am Ende erzeugt eine gewisse Spannung und Vorfreude. Ich habe diese Keilerei damals mittels eines Audiokabels auf Kassette aufgenommen und dann quasi täglich wieder aufs Neue angehört.
Ich mag den Film auch lieber als seinen Nachfolger „Vier Fäuste für ein Halleluja“ (im DDR-Fernsehen „Der kleine und der müde Joe“). Denn dieser ist mir zu episodenhaft aufgebaut, es fehlt mir ein wenig der rote Faden. Außerdem sind Bud und Terence, die ja gerade ihre Italowestern-Phase hinter sich gebracht hatten, noch ein wenig rotziger unterwegs.
2.) Zwei bärenstarke Typen (1983)
Dies ist ebenfalls einer der Filme, die ich noch vor der Wende erstmals gesehen habe. Und bis heute einer meiner absoluten Favoriten des Duos. Gleichzeitig handelt es sich in meinen Augen auch um den letzten richtig guten Film, den sie zusammen gemacht haben. Allgemein gilt unter Fans der ein Jahr später erschienene „Vier Fäuste gegen Rio“ als der letzte gute Film und einer ihrer besten überhaupt. Doch dazu gleich noch mehr.
Ich mag das Geheimagenten-Setting des Films, obwohl die Zahl der Schlägereien im Vergleich zu den anderen Filmen eher gering ist. Zudem bin ich einfach auch ein Fan der Kulisse in Miami. Weiterhin mag ich die Roadmovie-Sequenzen mit dem Truck sehr gern. Für die Musik zeichnete erneut Franco Micalizzi verantwortlich. Im Jahr 2019 habe ich Urlaub in Florida gemacht und selbstverständlich stand auch ein Besuch der Drehorte auf dem Programm, genauer gesagt im Hotel Fountainebleu sowie im Miami Seaquarium.
Die Lobby des Hotels hat sich seitdem übrigens kaum verändert. Das fast schon surrealistische Ende des Films hat mich übrigens damals völlig von den Socken gehauen. Ich sage nur: Teleportations-Toilette.
3.) Zwei außer Rand und Band (1977)
Diesen Film habe ich zur Abwechslung erst nach der Grenzöffnung gesehen. Ich ging damals freitags regelmäßig zu einem Freund, um Videospiele zu spielen und Filme anzuschauen. Es war das goldene Zeitalter der VHS-Kassette, und an einem dieser Nachmittage hatte mein Kumpel zwei Filme ausgeliehen: „Asterix Sieg über Cäsar“ und „Zwei außer Rand und Band“. Bud und Terence sind erneut in Miami unterwegs, dieses Mal unfreiwillig als Cops. Der Film erinnert in seinen Grundzügen ein wenig an „Police Academy“, da die beiden eine Polizeischule besuchen und sich anschließend auf Verbrecherjagd begeben.
Was diesen Film für mich ausmacht, sind sein Gute-Laune-Soundtrack, welcher dieses Mal von Maurizio und Guido De Angelis stammt sowie seine Running Gags. So sehen wir beispielsweise im Laufe der Handlung, wie immer mehr Autos der Bösewichte zu Schrott gehauen werden. Und bei der Endschlägerei auf einer Bowlingbahn gibt es immer wieder den Typ mit der karierten Jacke der auf besonders originelle Weise auf die Mütze bekommt. „Zwei außer Rand und Band“ gehört bis heute für mich zu den besten Arbeiten der beiden und besitzt einem hohen Wiederanschauungswert.
4.) Vier Fäuste gegen Rio (1984)
Der Film wird von mir nur aus einem einzigen Grund aufgeführt. Ich habe ihn ebenfalls erst 1990 oder 1991 gesehen. Mein Bruder hatte sich damals einen Videorecorder zugelegt und ab und zu durfte ich in seinem Zimmer einen Film anschauen. Kaufkassetten waren jedoch meist sehr teuer. Daher führte mich mein Weg regelmäßig in die Videothek des Nachbarortes (hierzu habe ich ebenfalls einmal einen Bericht auf Retrokram geschrieben). Manchmal jedoch gab es doch etwas günstigere Filme auf VHS zu kaufen. Oft handelte es sich dabei um Budget-Varianten im billigen Pappschuber. Und so lief mir eines Tages im Eins-A-Supermarkt der Film „Vier Fäuste gegen Rio“ über den Weg, den ich bis dahin noch nicht kannte. Der unschlagbare Preis von 9,99 DM ließ mich (bzw. meine Eltern die freundlich von mir überredet wurden) zugreifen. Und so war dies eine meiner allerersten Videokassetten.
Der Film selbst ist meiner Meinung nach eher durchschnittlich. Ich mag irgendwie das Setting in Rio nicht und auch die Doppelgängergeschichte nervt etwas. Zudem wirken vor allem Bud aber auch Terence seltsam gealtert und eingerostet, obwohl der Film ja lediglich ein Jahr nach „Zwei bärenstarke Typen“ gedreht wurde. Lediglich die Titelmelodie hat erneut Ohrwurmqualitäten. Die Kassette habe ich übrigens heute noch.
5.) Zwei wie Pech und Schwefel (1974)
Ich muss kurz noch zu meinem „Negativ-Highlight“ ein paar Worte loswerden. Mir ist bewusst, dass der Streifen bei vielen als einer der Favoriten gilt, hauptsächlich wohl wegen der Bierchen-und-Würstchen-Szene und wegen der Sequenz mit dem Chor. Ich habe mehrfach versucht, den Film anzuschauen und zu mögen, und bin jedes Mal aufs Neue gescheitert. Schon der Einstieg in die Handlung mit dem Rennen wirkt für mich irgendwie sehr gezwungen und uninteressant. Und es wird dann nicht besser. Vielleicht stört mich auch der Schauplatz, der für meinen Geschmack zu „europäisch“ ist. Mir sind dann doch der Wilde Westen oder Miami lieber. Ein weiterer Punkt: Die Schurken sind ja bei den Filmen des Duos nie ganz ernst zu nehmen. Aber hier wird es auf die Spitze getrieben mit dem Boss, der unter dem Einfluss eines Doktors steht. Das wirkt auf mich jedoch nicht mehr witzig, sondern einfach nur albern.
Zu den weiteren Filmen, die ich bereits vor der Wende gesehen habe, zählen noch „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ (1972), „Das Krokodil und sein Nilpferd“ (1979), „Banana Joe“ (1981) sowie „Der Große mit seinem außerirdischen Kleinen“ (1978). Alles andere von Spencer und/oder Hill habe ich dann erst im Laufe der 1990er zum ersten Mal angeschaut. Dementsprechend haben die genannten Streifen auch einen besonderen Platz in meiner persönlichen Hitliste inne.
Ich möchte an dieser Stelle noch kurz etwas zum Spätwerk des Duos sagen. Die „Miami Cops“ von 1985 betrachte ich als völlig misslungen. Aber als noch furchtbarer erachte ich den letzten gemeinsamen Film „Die Troublemaker“ von 1994. Das liegt vor allem an der gigantischen Chance, die damit vertan wurde. Dabei hätte das Western-Setting durchaus für einen würdigen Abschied getaugt. Aber die behäbige Regie von Terence Hill sorgt dafür, dass nie das Flair der alten Filme erreicht wird. Dabei ist mir das fortgeschrittene Alter der Darsteller durchaus bewusst. Trotzdem, ich hätte mir Enzo Barboni (auch bekannt als E.B. Clucher) als Regisseur gewünscht. Dann wäre vielleicht einiges anders geworden.
Besser gefallen mir da die späten Solo-Abenteuer von Bud und Terence, genauer gesagt „Renegade“ (1987) und „Wenn man vom Teufel spricht“ (1991). Hier blitzt jeweils nochmal das auf, was die Filme des Duos früher so sehenswert gemacht hat. Beide sind übrigens – von Enzo Barboni.
Terence Hill hat im Jahr 2018 noch einmal einen Film mit dem Titel „Mein Name ist Somebody“ in die Kinos gebracht. An diesem hatte er zehn Jahre gearbeitet und ihn seinem damals bereits verstorbenen Freund Bud Spencer gewidmet. Leider wurde aus dem Film ein anstrengender, schwermütiger und pseudo-philosophischer Trip, der viele Fans mehr als enttäuscht hat. Ich habe es mir dennoch nicht nehmen lassen, ihn im Kino anzuschauen, nicht zuletzt, weil Terence bei der Premiere persönlich anwesend war. Wer hierzu mehr lesen möchte, findet einen weiteren Text von mir auf Retrokram.
Ich bin hier nun am Ende angelangt und habe Euch all das mitgeteilt, was mir persönlich wichtig war. Ich bedanke mich bei allen, die bis hierhin durchgehalten haben. In diesem Sinne wünsche ich Euch eine gute Zeit und allzeit ein paar Bohnen in der Pfanne!