Für immer Videospiele

Ich stehe auf die kleinen Geschichten. Manche erzählt man mir, manche hört man über Dritte und manche fliegen mir einfach zu.

Im Flipper- und Arcademuseum in Seligenstadt liegen manchmal alte Computerzeitschriften zum rumblättern aus. Ein famoser Spaß, denn es zeigt, wie sehr sich die Technik in den letzten 30 verändert hat.

Beim blättern im ersten deutschen Computerspiel-Magazin “TeleMatch” ist mir eine Überschrift ins Auge gefallen.

Gulp!

Eine Lautmalerei.

Der Artikel war ein Listing für den Atari.

Was ist ein Listing?

Ein Programm in gedruckter Form. Um das Spiel auf seinem Heimcomputer zu spielen, muss man 1:1 den kompletten Beitrag abtippen… und wehe, man vertippt sich.

Was mir aber eher auffiel ist, dass dieses Programm von dem 14 jährigen Kemal aus Maintal geschrieben wurde.

Ein 14 jähriger Bube, der 1983 Spiele auf einem Atari 400 programmierte. Möglich, dass die heutigen Kids eher Zugang zum PC haben, aber 1983 stand nicht in jedem Haushalt ein Rechner. Auch die Tatsache, dass Kemal aus Maintal stammt, was mehr oder weniger bei mir um die Ecke liegt, faszinierte mich.

Ich wollte schon immer mal nachschauen, was aus Menschen wurde, die in solchen alten Computermags auftauchten. Vielleicht kennt noch jemand das sexy Paar, welches mit einem C64 im Bettchen liegt. Was die wohl heute machen?

Aber zurück zu Kemal. Ich forschte ein wenig im Netz nach. Klingt nach einem enormen Projekt, dem war aber nicht so. Denn Kemal hinterließ einige Spuren im www.

Ich fand ihn und war dreist genug, dass ich ihn bei Facebook anschrieb. Normalerweise bin ich nicht der Typ, der Menschen anschreibt, aber in diesem Fall siegte die Neugier.

Kemal meldete sich nach ein paar Tagen freundlich zurück und willigte ein, mir ein paar Fragen zu beantworten. Hier ein kleines Interview. Ein paar Bilder aus der Telematch finden sich unter dem Interview.

Danke für deine Zeit, Yoda. <3


Hallo Yoda, danke dass du dich auf dieses kurze Interview eingelassen hast. Ich habe dein Listing in der TeleMatch gefunden. Als ich deinen Namen gegoogelt habe, spukte mir die Suchmaschine einen ganz anderen aus. Heißt du heute wirklich Yoda oder ist das dein Künstlername?

Mein richtiger Name es ist.

Wie kam es eigentlich dazu, dass du mit 14 Jahren zum Programmieren kamst. Ich kann mir vorstellen, dass 1983 der Zugang zu (Heim)Computern eher beschränkt war.

Ich hatte vorher schon das Atari VCS 2600 und war ständig am Zocken. Bis ich dann bei einem Freund meines größeren Bruders den Atari 400 in Aktion gesehen habe. In Aktion heisst: Ein Punkt auf dem Bildschirm bewegt sich und macht ein Geräusch. Da war ich angefixt.

Haben dich deine Eltern dabei unterstützt?

Zwangsweise. Ich habe meine Mutter so lange genervt, bis sie mir den Atari 400 gekauft hat. War eine gute Entscheidung, denn ab dem Moment habe ich angefangen, Spiele selbst zu schreiben.

Hattest du Freunde in deinem damaligen Alter, die ebenfalls am Programmieren versuchten oder warst du eher der Aussenseiter?

Zu dieser Zeit war ich der Einzige in meinem Alter, der einen Computer hatte. Die anderen waren alle die Altersklasse meines Bruders, also ein paar Jahre älter.

Wie war es in der Schule? Gab es 1983 ein Fach wie Datenverarbeitung oder Informatik?

Da gab es noch gar nichts. Die Schule hatte zwar einen Computerraum mit PETs, der war aber nur für spezielle Kurse und es gab noch keinen normalen Informatikunterricht.

Als ich im Unterricht das erste Mal mit ausgedruckten Hausaufgaben ankam, musste der Lehrer erst mit der Schulleitung abklären, ob das gestattet sei.

Das TeleMatch Magazin war gerade mal ein Jahr alt, als dein Listing darin abgedruckt wurde. Wie kam es dazu bzw. wie bist du generell zu diesem Mag gekommen. Lag die im Kiosk und das Titelbild sprach dich an?

Da gab es plötzlich ein Heft mit Pac Man auf dem Titelbild. Da war der Fall klar. Im Heft wurde das Arcadespiel Ponpoko erklärt. Da habe ich gesagt: Das kann ich auch in Basic programmieren.

Das fertige Spiel habe ich zur Tele-Match geschickt, nur um denen zu zeigen, dass man sowas in Basic programmieren kann. Später rief mich der Chefredakteur Hartmut Huff an und wollte das veröffentlichen.

Was hast du für das Listing überhaupt bekommen? Irgendein Geschenk, Geld oder nur Fame?

Die haben dafür natürlich gut bezahlt. Für mich hat die Summe genau gereicht, um mir den Atari 800 zu kaufen.

Wie ging es dann weiter. Hattest du durch den Artikel irgendwelche Kontakte geknüpft bzw. haben dich andere Programmierer angeschrieben?

Atari aus Hamburg ist dann auf mich aufmerksam geworden. Und auch das Fernsehen. Da wurde ich zum WDR Computerclub nach Köln eingeladen. Und auf der IFA (Internationale Funkausstellung in Berlin) habe ich am Atari Stand mächtig Staub aufgewirbelt.

Die komplette Geschichte habe ich in meinem Buch „Gulp Splat Zong“ niedergeschrieben.

Bist du danach direkt in die Spielebranche gerutscht oder hast du eine Ausbildung gemacht?

Ich habe direkt meine eigene Firma gegründet, KE-SOFT. Diese habe ich bis 1996 weitergeführt und den 8-Bit Atari unterstützt, auch mit ZONG, der Atari Zeitschrift. Irgendwann war es auch als Nebenjob nicht mehr tragbar.

Was denkst du, ist es heute einfacher, Spiele zu programmieren? Auf Grund von Technik oder der Verfügbarkeit von gewissen Tools?

Ja und nein. Einerseits gibt es viele Tools, mit denen man alles machen kann, andererseits geht die Kreativität verloren, weil viel zu viel fertiges Material vorhanden ist. Man muss nicht mehr richtig programmieren lernen, sondern kann einfach etwas zusammenklicken. Darunter leidet die Qualität sehr.

Bist du heute hauptberuflich Spieleprogrammierer?

Ich programmiere Spiele nebenbei, für die Website, und für meine 8-Spieler Arcade, die in meinem Live Room Escape Center steht und als Eventmodul vermietet wird. Hauptsächlich produziere ich Brettspiele und betreibe das Live Room Escape Center.

Du wohnst ja mittlerweile in Hanau, warst du schon mal auf der Homecon?

Ja logo. Da gehe ich immer wieder gerne hin, wenn es der Terminkalender erlaubt.

 

Yoda im Netz

www.escapeadventures.de Live Room Escape Center in Frankfurt
www.yodasvideoarcade.com Online Retro Spiele von Yoda.
www.gulpsplatzong.de Die Website zum Buch

Über Senad Palic

Kreatives Zellkollektiv. Typ Storyteller und Medienmensch. Mag den seltsamen Retrokram mehr als Mario und Co. Pressesprecher des Flipper- und Arcademuseums in Seligenstadt.

Schau mal hier

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Die nächste Minikonsole aller Zeiten. Mehr ein Mini-Cab. Das Taito Egret II mini ist nicht ganz so klein. Bietet aber dafür ein cooles Arcade-Highlight: Einen drehbaren 4:3 Bildschirm. Taten ole!

9 Kommentare

  1. Sehr nettes Interview!
    Ja, manchmal stolpert man über solche Zusammenhänge und wenn dann sogar ein Artikel mit Interview draus wird, umso besser! 😊

  2. Toll, dass Du uns dieses Interview geschenkt hast!

    Irgendwann wird es niemand mehr wissen. Das wir damals endlose Zeilen BASIC und Maschinencode in unsere kleinen Heimcomputer gehämmert haben. Und es ist an uns, diese Zeit festzuhalten. Hat sie doch das Fundament für unsere heutige moderne IT geschaffen.

    Kemal aka Yoda ist mit seinem Buch bereits einen wichtigen Weg gegangen. Ich kann “Gulp Splat Zong“ nur empfehlen! Es ist nicht nur eine Zeitreise in die frühe Technik der 1980er Jahre, sondern auch ein soziales Werk, weil Yoda viel über seine Beweggründe und Einflüsse spricht.

    Das Du beim Rumblättern in der TeleMatch so berührt worden bist, Dich zu erinnern und Yoda persönlich anzusprechen ist mehr als ein gutes Zeichen. Denn es steht dafür, den Wert des Vergangenen zu schätzen und seine Hintergründe verstehen zu wollen. Eine wunderbare Metapher dafür, unser Wissen zu bewahren.

    Danke Senad!

  3. Das im FAMS alte Telematch-Hefte zum Zugreifen und Rumblättern bereit liegen, ist ja schon klasse.

    Aber was für eine irre Geschichte ist das denn: In einer 34 Jahre alten Zeitschrift zu blättern, über ein Listung zu stolpern, den Schreiber ausfindig zu machen; eine Antwort zu erhalten!!! Und dann so ein Interview mit ihm zu führen. Das kann nur Senad.

    Interessant auch, was aus dem „kleine“ Kemal geworden ist. Videospiele haben ihn offenbar nicht mehr losgelassen; wie viele von uns auch. Und er hat sogar ein Buch darüber geschrieben; das unser André natürlich schon gelesen hat. Wer mit Heimcomputer aufgewachsen ist, den lassen sie halt nie mehr los.
    Ist doch ein schöner Kontakt Senad. Und schon krass, wie er zustande kam. Der Kemal, der kann gerne zu unseren FAMS-Treffen kommen. Also sag dem mal Bescheid.

    Gut gemacht Senad!

    • Ja, das ist echt abgefahren. Werde mir das Buch mal besorgen und auch Yoda fragen, ob er zu unserem Treffen kommt. Danke dir 🙂 <3

  4. Gefällt mir 😀 …
    Schöne Geschichte …. ich mag solche Verbindungen von Vergangenheit in die Gegenwart ….
    Gruß,
    Mugg

  5. Grandiose Idee zum Artikel – gefällt mir richtig gut!

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